Therapiemissbrauch - Maskierte Gewalt in der Psychoanalyse

Reaktion des Ethikvereins

Der Ethikverein nahm mein Anliegen ernst. In Telefonaten und persönlichen Terminen mit der Beraterin, Frau H., wurde ich in meinem Eindruck bestätigt, dass sich meine „Therapie“ nicht mit den in der Berufsordnung beschriebenen Qualitätsstandards und ethischen Grundsätzen vereinbaren ließ. Die Beraterin benannte (in der Fachsprache) das Vorgehen meiner Therapeutin als einen narzisstischen Missbrauch. Immerhin gab es nun einen Namen für das, was mir widerfahren war, und ich fühlte mich endlich verstanden. Natürlich hatte ich neben dem Verständnis von Frau H. und ihrer deutlich zum Ausdruck gebrachten Empörung über das Geschehen weitergehende Erwartungen: Hilfe bei dem Versuch, die misslungene „Therapie“ angemessen abzuschließen Suche nach einem /einer Folgetherapeuten/in Eine Unrechtsanerkennung durch die Therapeutin Sanktionierung ihres unethischen Verhaltens Versuch, durch geeignete Maßnahmen (z.B. Supervision) zu verhindern, dass künftig weitere Patienten durch sie geschädigt werden.

Die „Beratung“, die ich hinsichtlich meiner Erwartungen in der Folge vom Ethikverein erhielt, war unzureichend. Sie beschränkte sich auf die Empfehlung einer Folgetherapie. Von anderen Optionen (Mediation, Beschwerdeverfahren beim Berufsverband oder ein Vermittlungsverfahren bei der Kammer) wurde mir ausdrücklich abgeraten. Zwar wies ich immer wieder darauf hin, dass ich nicht akzeptieren könne, dass sich meine Therapeutin nach mehr als einem Jahrzehnt ohne ein einziges abschließendes Gespräch aus der Verantwortung stehlen wollte. Und dass mir sehr viel daran lag, in einer Mediation ihr gegenüber zum Ausdruck bringen, dass ich derjenige war, der die unsägliche „Therapie“ beendete – unmissverständlich wegen Ihres gravierenden Fehlverhaltens. Dies hätte mir ein Stück Selbstachtung und Autonomie zurückgegeben. Aber Frau H. hielt eine Begegnung mit der Therapeutin damals für ungeeignet - mit der Begründung: sie habe den Eindruck, dass ich noch erheblich traumatisiert und deshalb zunächst ausschließlich eine Folgetherapie empfehlenswert sei. Es ist wohl unbestritten, dass alle von missbräuchlicher Therapie Betroffenen erheblich traumatisiert sind, und dass sie in der Tat professionelle Unterstützung und Beratung brauchen. Aber eine Beschränkung bei der Beratung auf nur eine Option (aufgrund des persönlichen Eindrucks einer Beraterin) halte ich für eine unzulässige Bevormundung. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch des Ethikvereins, auf gleicher Augenhöhe mit den Ratsuchenden sprechen zu wollen?

Eine umfassende Beratung durch den Ethikverein hätte auch die dringende Empfehlung einschließen müssen, mich an den Berufsverband der Therapeutin zu wenden und ein Beschwerdeverfahren gegen sie anzustrengen. Dort wäre sie von der Schiedskommission aufgefordert worden, zu meinen Vorwürfen Stellung zu nehmen (was der Ethikverein nicht hätte veranlassen können). Auch wäre ihr unethisches Verhalten sanktioniert worden. Selbst wenn sie durch einen freiwilligen Austritt aus dem Berufsverband weitere Konsequenzen hätte verhindern können, so wäre sie doch mit ihrem Fehlverhalten unmittelbar konfrontiert worden. Ob dies zu Selbstreflexion, Einsicht und Verhaltens-änderung geführt hätte, lässt sich im Nachhinein nicht beantworten. Aber der Versuch, ein solches Resultat zu erzielen, hätte nicht von vornherein ausgeschlossen werden dürfen. Dies halte ich für eine Fahrlässigkeit. Es wäre für mein Gerechtigkeitsempfinden von großer Bedeutung gewesen, wenn eine offizielle Stelle (Berufsverband) der Therapeutin ihr unprofessionelles und unethisches Verhalten verdeutlicht hätte. Statt mich darin zu bestärken, den Weg des Beschwerdeverfahrens einzuschlagen, wurde ich mit einer befremdlichen Begründung davor gewarnt: Der Vorsitzende Richter der Schiedskommission, Herr H., könne mich in meinem Zustand nicht ernst nehmen. Es würde ja auch meine Ex-Therapeutin gehört, die ruhig und gefasst aufträte, und neben der würde ich unglaubwürdig wirken. Deshalb sei zunächst eine Traumatherapie notwendig. Damals habe ich mich leider von solchen „Argumenten“ einschüchtern lassen, ohne mir bewusst zu machen, dass so mein Handlungsspielraum immer weiter eingeschränkt wurde. Natürlich hätte ich gegenüber der Schiedskommission und dem Richter nicht so souverän wie (vermutlich) meine Ex-Therapeutin auftreten können – aber war ich deshalb unglaubwürdig? Schließlich konnte ich ausreichende Beweise vorlegen, die meine Vorwürfe belegten!

Auch hinsichtlich eines Vermittlungsverfahrens bei der Kammer äußerte der Ethikverein Vorbehalte. Wie schon bei einem Verfahren bei dem Berufsverband sah Frau H. darin die Gefahr einer erneuten Traumatisierung. Auch gab sie zu Bedenken, dass ein mögliches Unrechtsanerkenntnis durch die Kammer nicht so präzise benannt werden könnte, wie es mir zustehen würde. Abgesehen von dem geringen Informationsgehalt, der in dieser Mitteilung steckt, muss die Frage erlaubt sein, worin eigentlich das Problem bestand? Es mag sein, dass eine Vermittlung durch die Kammer nicht präzise zu dem von mir gewünschten Ergebnis geführt hätte. Aber wie schon bei dem vereitelten Verfahren im Berufsverband wäre die Therapeutin zumindest darüber aufgeklärt worden, was eine verantwortungsvolle und seriöse Psychotherapie ausmacht. So wären die Diskrepanzen zu ihren abstrusen Vorstellungen offenbart worden. Ein diesbezügliches Statement von der Kammer hätte mir geholfen, um befriedet mit allem abschließen zu können. Damals aber reichten mir die angeführten Einwände des Ethikvereins. Ich war so verunsichert, dass ich auch von diesem Vorhaben Abstand nahm. (Ähnlich wie in meiner Therapie glaubte ich noch, dass der Ethikverein schon wisse, was das „Beste“ in meinem Fall sei.)

So blieb die Therapeutin völlig unbehelligt. Sie praktizierte ohne Einschränkung weiter - in der gleichen unprofessionellen Weise, und fügte (wie ich inzwischen von etlichen Rückmeldungen auf meine Homepage weiß) noch mehr Patienten großen Schaden zu. Von einem Ethikverein hätte ich erwartet, dass er nicht nur die vom Missbrauch unmittelbar Betroffenen im Fokus hat, sondern sich in Kenntnis des Fehlverhaltens einer Kollegin gleichermaßen dafür einsetzt, weiteren Schaden zu verhindern. In diesem Zusammenhang schreibt die PTK Bayern in ihrer Berufsordnung unter §17,2: Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können sich in kollegialer Weise auf Vorschriften der Berufsordnung aufmerksam machen. Sie verletzen ihre Pflicht zur Kollegialität auch dann nicht, wenn sie bei Vorliegen eines begründeten Verdachts die Kammer auf einen möglichen Verstoß einer Kollegin oder eines Kollegen gegen die Berufsordnung hinweisen. Kann man von den Mitgliedern eines Ethikvereins nicht erwarten, dass sie sich einer solchen ethischen Verpflichtung bewusst sind und danach handeln?

Neben den geschilderten Versäumnissen war auch die Vorgehensweise während der Beratungsphase für mich nicht durchschaubar. Es fehlte an Klarheit und Struktur. Einerseits ist das Ziel des Ethikvereins zu aller erst Beratung, nicht jedoch tätig werden anstelle von betroffenen Patienten, andrerseits werden die Berater sehr wohl auch selbst für die Ratsuchenden tätig. Nur ist überhaupt nicht erkennbar, wann und unter welchen Umständen Maßnahmen ergriffen werden. Bei mir wurde zunächst ein Treffen mit der Therapeutin für zwingend erachtet (im Beisein einer Beraterin). Ich ging davon aus, dass der Ethikverein nun zunächst einmal einen Kontakt zu meiner Therapeutin herstellt. Als ich nach Wochen dort nachfragte, ob schon Schritte in die Wege geleitet wurden, fragte man mich, warum ich so einen Druck machen würde. Schließlich hätte ich keinen dezidierten Auftrag erteilt, und ohne meine Anweisung würden sie nichts unternehmen. Ich war sprachlos. Darüber hätte man mich ja schon zu Anfang der Beratungen aufklären können. Als ich mich etwas ungehalten zeigte, fragte mich Frau H., was sie denn meiner Meinung nach tun solle. Sie würde mir aufgrund meiner Traumatisierung zunächst einmal eine Folgetherapie empfehlen. Erst danach sei ich in der Lage, weitere Schritte zu planen.

Damit wollte ich mich aber nicht begnügen und äußerte nun explizit den Wunsch, dass der Ethikverein telefonisch oder schriftlich mit der Therapeutin Kontakt aufnimmt. Da es hierzu keine Rückmeldung gab, fragte ich nach Wochen erneut nach dem Sachstand und erhielt die Antwort, dass eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen sei, da ich keine Schweigepflichtentbindung erteilt habe. (Über diese Vorbedingung hatte mich allerdings niemand im Vorfeld unterrichtet.) Zudem erklärte mir Frau H., dass sie schon gerne etwas tun wolle, aber leider zu wenig von meinem Fall wisse, um tätig werden zu können. Ich konnte es kaum glauben. Mein Argwohn, dass ich den falschen Beratern aufgesessen war, erhärtete sich.

So nahm ich das Heft selbst in die Hand und schilderte einem anderen Therapeuten meine Not. Dieser setzte sich mit meiner Ex-Therapeutin in Verbindung und überzeugte sie von einer Mediation in seinem Beisein. Die Gespräche fanden in den Räumen des Therapeuten in München statt. Sie gestalteten sich jedoch so problematisch, dass sie zu keinem befriedigendem Ende führen konnten. Daher wandte ich mich – trotz der erwähnten Bedenken - noch einmal an den Ethikverein und bat um Hilfe. Man erklärte sich bereit, mir einen geeigneten Mediator zu nennen. Auch meine Ex-Therapeutin war damit einverstanden. Ich war davon ausgegangen, dass der Verein (im Gegensatz zu mir) den besseren Überblick über die ortsansässigen Mediatoren hatte, die in meinem besonderen Fall hätten tätig werden können. Als Mediatorin wurde mir dann Frau S. genannt. Das bedeutete, dass alle am Gespräch Beteiligten nach Essen kommen sollten, weil Frau S. dort ihre Praxis hatte. Dies wäre zu einem zeitaufwändigen und kostspieligen Unternehmen geworden. Es war für mich nicht nachvollziehbar, warum ich – mit Wohnsitz in München - nach Essen verwiesen wurde. Die Begründung vom Ethikverein lautete, dass Frau S. über Erfahrungen in Mediation verfüge. Sollte das heißen, dass es im Raum München niemanden gab, der 'über Erfahrungen in Mediation' verfügte? Oder wird jeder Betroffene an Frau S. verwiesen – unabhängig vom jeweiligen Wohnort? Ich wandte mich an Frau S. und bat, eine andere Lösung zu finden. Leider ohne Erfolg. So gab ich wegen des allzu großen Aufwandes das Vorhaben auf.

Die gesamte Beratung hatte darin bestanden, mir zuzuhören, Empörung über den extremen Missbrauch zu äußern und mir einen Folgetherapeuten zu nennen. Braucht es dafür wirklich einen Ethikverein? Und welche Folgen hatte dessen Vorgehen für mich?

Die zunächst geweckten Hoffnungen und Erwartungen verliefen im Nichts. Ich habe mich getäuscht und hingehalten gefühlt. In meinem Fall wurden die Verzögerungen mir angelastet (kein Auftrag erteilt, keine Schweigepflichtentbindung vorgelegt) und die Untätigkeit mit dilettantisch anmutenden Argumenten begründet (Wir wissen zu wenig von Ihrer Sache! Und das nach zahlreichen Gesprächen!). Völlig absurd erschien mir die Frage, was man denn meiner Meinung nach tun solle (als hätte ich dies nicht oft genug zum Ausdruck gebracht). Ich bekam zunehmend das Gefühl, dass meine Wünsche unangemessen und völlig überzogen sind, was mich in meiner ohnehin schon schwachen Position zusätzlich verunsicherte und zu Selbstzweifeln führte.

Alle Mittel, mit denen ich mich gegen das erlebte Unrecht hätte zur Wehr setzen können, wurden für ungeeignet erklärt – mit der fragwürdigen Begründung, ich sei zu traumatisiert, bzw. ich könne erneut traumatisiert werden. Das habe ich als anmaßend erlebt. Nachdem ich während meiner „Therapie“ so massiv in meiner Selbstbestimmung verletzt wurde, hätte ich Bestärkung und Ermutigung gebraucht, um mich für meine Interessen einzusetzen. Stattdessen erlebte ich eine fortgesetzte Bevormundung. Ich habe den Respekt vor meiner Autonomie vermisst. Was mit einer solchen Vorgehensweise bezweckt wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich weiß aber, dass sie letztlich den Tätern nützt – denn sie bleiben unbehelligt und müssen sich niemandem gegenüber verantworten. Vor allem steht sie im Widerspruch zu dem, was der Ethikverein auf seiner Homepage (und auch in diversen öffentlichen Statements) vorgibt, zu tun: WIR HELFEN IHNEN! In meinem Fall habe ich den Einsatz des Vereins in großen Teilen als unterlassene Hilfeleistung erlebt.